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09302 Klinische Prüfung – Arten der Prüfung

Klinische Prüfungen sind ein zentrales Instrument zur Sicherstellung der Sicherheit, Leistung und des Nutzens von Medizinprodukten – und sie sind zugleich komplexer denn je. Mit Inkrafttreten der EU-Medizinprodukteverordnung (MDR) und dem Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG) gelten neue, teils strengere Anforderungen, die Hersteller und Sponsoren vor große Herausforderungen stellen. Doch nicht jede klinische Prüfung fällt automatisch in den Geltungsbereich der MDR. Unterschiedliche Studiendesigns, Produktzustände (CE-gekennzeichnet oder nicht) sowie Verwendungszwecke führen zu differenzierten regulatorischen Anforderungen und Genehmigungswegen.
Dieser Beitrag gibt einen systematischen Überblick über die verschiedenen klinischen Prüfungsarten: von den Prüfungen im Rahmen der Konformitätsbewertung bis hin zu PMCF-Studien und sogenannten „sonstigen” klinischen Prüfungen. Dabei wird auch beleuchtet, welche Studien unter die MDR fallen – und welche nicht. Ein besonderes Augenmerk liegt auf den jeweiligen Genehmigungsverfahren und den praktischen Implikationen für Hersteller und Sponsoren.
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1 Klinische Prüfungen mit Medizinprodukten

Die EU-Verordnung 2017/745 (Medical Device Regulation, MDR) legt die Bedeutung der systematischen Erfassung und Bewertung klinischer Daten vor und nach der Zulassung von Medizinprodukten durch die Hersteller fest. Viele Hersteller unterschätzen jedoch die entscheidende Rolle, die klinische Daten bei der Demonstration der Konformität ihrer Produkte spielen – sowohl für die Zulassung als auch für die „Post-Market-Aktivitäten”; hier insbesondere das „Post-Market Clinical Follow-up” (abgekürzt PMCF, deutsch: Klinische Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen eines Medizinprodukts).
Artikel 2 (48) MDR „Begriffsbestimmungen” definiert den Begriff „klinische Daten” genauer. Klinische Daten beziehen sich auf Informationen über die Sicherheit oder Leistung eines Produkts, die während seiner Anwendung gewonnen werden. Diese Daten können aus verschiedenen Quellen stammen, darunter:
klinische Prüfungen des betreffenden Produkts
klinische Prüfungen oder andere in der wissenschaftlichen Fachliteratur wiedergegebene Studien über ein Produkt, dessen Gleichartigkeit mit dem betreffenden Produkt nachgewiesen werden kann
in nach dem Peer-Review-Verfahren überprüfter wissenschaftlicher Fachliteratur veröffentlichte Berichte über andere klinische Erfahrungen entweder mit dem betreffenden Produkt oder einem Produkt, dessen Gleichartigkeit mit dem betreffenden Produkt nachgewiesen werden kann
klinisch relevante Informationen aus der Überwachung nach dem Inverkehrbringen, insbesondere aus der klinischen Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen
Die MDR nennt gleich zu Beginn klinische Prüfungen als erste Quelle. Diese werden auch in Zukunft eine bedeutende Rolle spielen. Die MDR definiert klinische Prüfungen wie folgt: „Klinische Prüfung” bezeichnet eine systematische Untersuchung, bei der ein oder mehrere menschliche Prüfungsteilnehmer einbezogen werden, um die Sicherheit oder Leistung eines Produkts zu bewerten. (Quelle: MDR, Artikel 2, Absatz 45)

2 Typen klinischer Prüfungen

Alle klinischen Studien mit Medizinprodukten sind klinische Prüfungen. Es gibt verschiedene Arten von klinischen Prüfungen:
Grundlagenforschung: sonstige klinische Prüfung (Artikel 82 MDR)
Pilotstudie/Zulassungsstudie: klinische Prüfungen zum Nachweis der Konformität von Produkten (Artikel 62 MDR)
PMCF-Studie: klinische Prüfungen in Bezug auf Produkte, die die CE-Kennzeichnung tragen (Artikel 74 MDR)
DiGA-Studie
Zusätzlich gibt es in Deutschland die sogenannte DiGA-Studie. Diese Studie wird mit einer digitalen Gesundheitsanwendung (DiGA) durchgeführt, um positive Versorgungseffekte nachzuweisen und einen Erstattungsstatus zu erlangen. In der Regel werden diese als PMCF-Studie mit einem CE-gekennzeichneten Medizinprodukt durchgeführt. (Quellen: DiGAV, DVG, DiGA-Leitlinie).
Die verschiedenen Typen unterscheiden sich in Bezug auf die jeweiligen regulatorischen Anforderungen, die Genehmigungsverfahren bei Bundesoberbehörde (BOB) und Ethikkommission (EK) sowie den Zeitpunkt der Durchführung. Diese Unterschiede werden im Folgenden kurz erläutert.

2.1 Zulassungsstudien

Die klinische Prüfung zur Nachweisführung der Konformität von Produkten ist die klassische Zulassungsstudie. Sie wird im Artikel 62 der MDR und im Hinblick auf nationale Voraussetzungen für den Beginn und wesentliche Änderungen und Korrekturmaßnahmen außerdem im Kapitel 4, Abschnitt 2 und Unterabschnitt 1 des Medizinproduktedurchführungsgesetzes (MPDG) und hier insbesondere im Unterabschnitt 1 in § 31 bis § 46 geregelt.

2.2 PMCF-Studien

PMCF-Studien, die teilweise durch Artikel 74 der MDR geregelt werden, sind klinische Prüfungen, die mit einem CE-gekennzeichneten Produkt durchgeführt werden.
Es gibt keine eindeutige Definition von PMCF-Studien. Weder die Richtlinie, das MPG, die Verordnungen, die MEDDEVs, die MDR noch das MPDG enthalten eine solche Definition. Artikel 74 bezieht sich nur auf PMCF-Studien, die außerhalb der Zweckbestimmung oder mit zusätzlichen belastenden Verfahren durchgeführt werden. Daher sind PMCF-Studien, die innerhalb der Zweckbestimmung und ohne diese Verfahren durchgeführt werden, nicht in der MDR geregelt. Artikel 74 bezeichnet solche klinischen Prüfungen als „klinische Prüfung nach dem Inverkehrbringen”.
Die MDR definiert eine klinische Prüfung nach dem Inverkehrbringen als eine klinische Prüfung, die der weitergehenden Bewertung eines Produkts dient, das bereits die CE-Kennzeichnung gemäß Artikel 20 Absatz 1 trägt, und zwar im Rahmen seiner Zweckbestimmung.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine PMCF-Studie eine klinische Prüfung ist, die mit einem CE-gekennzeichneten Produkt durchgeführt wird und klinische Daten im Rahmen der klinischen Nachbeobachtung (Post-Market Clinical Follow-up, PMCF) liefert. Die klinische Nachbeobachtung wird in der MDR in Anhang XIV Teil B geregelt.

2.3 Sonstige klinische Prüfungen

Die sonstige klinische Prüfung wird im Artikel 82 MDR sowie in Kapitel 4, Abschnitt 2, Unterabschnitt 2, § 47 bis § 61 des MPDG geregelt.
In § 3 Satz 4 des MPDG wird sie folgendermaßen definiert:
„[...] eine klinische Prüfung, die
a) nicht Teil eines systematischen und geplanten Prozesses zur Produktentwicklung oder der Produktbeobachtung eines gegenwärtigen oder künftigen Herstellers ist,
b) nicht mit dem Ziel durchgeführt wird, die Konformität eines Produkts mit den Anforderungen der Verordnung (EU) 2017/745 nachzuweisen,
c) der Beantwortung wissenschaftlicher oder anderer Fragestellungen dient und
d) außerhalb eines klinischen Entwicklungsplans nach Anhang XIV Teil A Ziffer 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) 2017/745 erfolgt.”

2.4 DiGA-Studien

Der Bereich der DiGA-Studien (DiGA = digitale Gesundheitsanwendungen) ist ein nationaler Sonderfall. Gemäß dem Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) haben Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung einen Anspruch auf eine Versorgung mit DiGA, die von Ärzten und Psychotherapeuten verordnet und von der Krankenkasse erstattet werden kann.
Voraussetzung dafür ist, dass die DiGA ein Prüfverfahren beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erfolgreich durchlaufen hat und in einem Verzeichnis für erstattungsfähige digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA-Verzeichnis) gelistet ist. Für die Aufnahme einer DiGA in das DiGA-Verzeichnis muss gemäß der DiGA-Verordnung (DiGAV) der positive Versorgungseffekt im Rahmen einer kontrollierten Studie nachgewiesen werden. Diese wird in der Regel mit einem CE-gekennzeichneten Produkt durchgeführt, kann aber auch im Rahmen der Zulassung durchgeführt werden, muss dann aber den Anforderungen an diese Studie gemäß dem DiGA-Leitfaden entsprechen.
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