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04205 Risikominderung bei höhenverstellbaren Liegen

In diesem Beitrag wird ein neu entwickeltes Bewertungsverfahren für Schutzmechanismen an energetisch höhenverstellbaren Liegen vorgestellt. Es soll dabei helfen, die Wirksamkeit neuer oder bestehender Schutzeinrichtungen je nach Gefährdung einschätzen zu können.
Der Beitrag führt exemplarisch vor, welche Anforderungen an die Hersteller bei der Entwicklung und Konstruktion von Liegen gelten und wie Hersteller bei der Risikobeurteilung des Produkts „höhenverstellbare Liege” vorgehen können. Sie erfahren alles, was Sie über rechtliche Anforderungen, technische Schutzmaßnahmen und Verfahren zur Bewertung wissen müssen.
von:
Tödliche Unfälle
Die energetische Höhenverstellung an Liegen birgt erhebliche Risiken für das anwendende Fachpersonal, behandelte Personen und Dritte. Vor allem im Zusammenhang mit fußbetätigten Bedienelementen kommt es immer wieder zu schweren, mitunter tödlichen Unfällen. So führte zum Beispiel bei Reinigungsarbeiten unterhalb der Liege die versehentliche Betätigung des am Boden befindlichen Bedienelements in zwei dokumentierten Fällen zu tödlichen Verletzungen. Im Zusammenhang mit Kindern, die während der Behandlung unter die Liege krabbelten, kam es in den letzten zwölf Jahren zu fünf tödlichen Unfällen.
Dabei sind nicht nur unbeabsichtigte Betätigungen Dritter in ungewöhnlichen Situationen ausschlaggebend, auch in regulären Anwendungsszenarien kann die beabsichtigte Absenkung der Liege durch die anwendende Person zu schweren Quetschverletzungen oder Frakturen führen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die herunterfahrende Liege das Knie der Bedienperson so einklemmt, dass der heruntergedrückte Fuß nicht mehr selbsttätig vom Bedienelement entfernt werden kann, um die Abwärtsbewegung zu stoppen.
Lösungsansätze des IFA
Um die Sicherheit an energetisch höhenverstellbaren Liegen zu erhöhen, wurde das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) von der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) beauftragt, Lösungsansätze aufzuzeigen, um zukünftig Arbeitsunfälle zu vermeiden. In diesem Projekt wurde zunächst das Unfallgeschehen systematisch ausgewertet, um neue Schutzmechanismen für Liegen zu entwickeln oder bestehende Schutzeinrichtungen zu adaptieren. Zudem wurde ein Bewertungsschema entwickelt, mit dem die Wirksamkeit von meist technischen Maßnahmen bewertet werden kann.
Im nachfolgenden Beitrag werden die Ergebnisse des Projekts dargestellt, wobei nur die auftretenden mechanischen Gefährdungen betrachtet werden, die durch das Absenken der Liegenfläche entstehen. Alle weiteren Gefährdungen (z. B. elektrische oder auch mechanische, die nicht durch das Absenken entstehen,) sind nicht Teil dieser Betrachtung, müssen aber auch vom Hersteller bei der Risikobeurteilung bewertet werden.

1 Ausgangssituation

1.1 Bauformen

Die Bauform von höhenverstellbaren Liegen hat einen direkten Einfluss auf die auftretenden Gefährdungen und somit auf das Unfallgeschehen. Infolgedessen müssen auch die Schutzmaßnahmen an die jeweilige Liegenform angepasst und in Kombination mit dieser bewertet werden. Derzeit sind drei unterschiedliche Bauformen von energetisch höhenverstellbaren Liegen erhältlich:
Gelenkhub
Scherenhub
Säulenhub
Die Gefahr, zwischen oberem und unterem Liegenrahmen bzw. Fußbedienelement eingeklemmt zu werden, besteht bei allen höhenverstellbaren Liegen. Die Betrachtung und gegebenenfalls Absicherung dieser Gefahrenstelle ist also zwingend an jeder Liege erforderlich. Anders verhält es sich bei dem Risiko, im Hubmechanismus eingeklemmt zu werden. In diesem Fall bieten Liegen mit einem Säulenhub den Vorteil, dass dieser in der Regel voll verkleidet ist und keine zusätzlichen mechanischen Gefahrenstellen aufweist. Bei Liegen mit einem Gelenk- oder Scherenhub muss die Gefährdung des Einklemmens im Hubmechanismus während der Höhenverstellung zusätzlich bewertet werden.

1.2 Unfallgeschehen

Unfälle mit Todesfolge
Immer wieder werden Personen an Therapieliegen eingeklemmt. Die Folge sind mitunter irreversible Quetschverletzungen. So kam es in den letzten zwanzig Jahren im Schnitt alle drei Jahre zu einem Unfall mit Todesfolge. Betroffen waren in diesen besonders schweren Fällen vor allem Kinder. Der erste Unfall dieser Art, der besondere Aufmerksamkeit erregte, war der Unfall aus dem Jahr 2004, bei dem in Abwesenheit des behandelnden Arztes ein Kleinkind beim Krabbeln unter die Liege den Verstellmechanismus des Fußbedienelements betätigte und dabei tödlich eingeklemmt wurde. Infolge dieses Unfalls wurden in den darauffolgenden Jahren viele Liegen mit einer manuellen Sperrvorrichtung (Sperrbox) ausgerüstet, die die Betätigung des Verstellmechanismus außerhalb der Behandlungszeiten verhindern sollte.
Unfälle während der Behandlung
Nicht adressiert wurden durch diese Schutzvorrichtung jedoch Unfälle, die im Rahmen des regulären Bedienkontextes der Liege geschehen. Tatsächlich überwiegen im Unfallgeschehen die Fälle, bei denen eine Person unter Aufsicht oder gar in unmittelbarer Nähe der autorisierten Person zu Schaden kommt. Ebenso sind die Anteile der Unfälle aufgrund einer beabsichtigten Auslösung der Liegenbewegung sowie der Auslösungen durch den Anwender selbst so hoch, dass der Fokus risikomindernder Maßnahmen allein auf der Verhinderung unbeabsichtigter oder unzulässiger Betätigungen als nicht ausreichend betrachtet werden kann.
Betroffene Bauformen
Nahezu alle Unfälle geschehen an Liegen, die mit einem Fußbedienelement ausgerüstet sind und bei denen die Laufrichtung der Liege der Betätigungsrichtung des Bedienelements entspricht. Dabei überwiegen in der Unfallstatistik Liegen mit Gelenkhub. Aufgrund der fehlenden Ausweichmöglichkeit enden Unfälle, bei denen eine Person im Hubmechanismus solcher Liegen eingeklemmt wird, oft tödlich. Unfälle an Liegen mit Säulenhub sind nicht dokumentiert, allerdings ist ihr Marktanteil mit nur wenigen Prozent auch sehr gering.

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