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15011 Vergleich Europa und USA: Regulatorische Anforderungen

Medizinproduktehersteller, die ihre Produkte weltweit vermarkten möchten, sehen sich mit einer wenig harmonisierten und zunehmenden Zahlt von regionalen und nationalen Regeln konfrontiert. Der Beitrag stellt die Anforderungen zweier bedeutender Regionen (USA und Europa) einander gegenüber. Auch wird die Frage geklärt, wie eine einheitliche Technische Dokumentation erstellt werden kann, die es erlaubt, Zugang zu beiden Märkten zu erlangen.
von:

1 Anforderungen an Medizinprodukte

Seit dem 26.05.2021 ist die Gesetzgebung für Medizinprodukte in Europa einheitlich reguliert; Es gilt die EU-Verordnung 745/2017 (MDR) für Medizinprodukte (s. Kap. 15001). Die in-vitro Diagnostika folgen ein Jahr später mit der IVDR (s. Kap. 15002). Damit werden die Richtlinien und die daraus resultierende jeweilige Autonomie der Mitgliedsstaaten abgelöst. Jeder Mitgliedsstaat hat jedoch weiterhin seine eigenen nationalen, an die MDR angepassten Gesetze und seine eigene, bundesstaatliche Regierung. Anders in den USA, wo alle Mitgliedsstaaten durch eine gemeinsame Regierung geleitet werden.
In einem ersten Überblick lassen sich die jeweiligen Anforderungen an Medizinprodukte sowohl in der EU als auch den USA in die Rubriken Design, klinische Leistungsfähigkeit, Vigilanz (wörtlich „Wachheit”, hier als laufende und systematische Überwachung der Sicherheit eines (Medizin-)Produkts zu verstehen) und QM-System einteilen. In beiden Märkten sind auch die jeweiligen lokalen Richtlinien bzw. Verordnungen dazu vorhanden (Tab. 1).
Tabelle 1: Gesetzliche Grundlagen für Medizinprodukte in der EU und USA
 
EU
USA
Design
MDR(ISO, IEC, EN, ...)
CFR(Guidance, ISO, IEC, UL ...)
Klinische Leistungsfähigkeit
MDR
CFR(IDE)
Vigilance
MDR
CFR(MDR)
QM-System
MDRISO 13485
CFR(QSR-21CFR820)

2 Europäische Zertifizierung

Organe
Die politische Struktur in der EU gliedert sich in drei unabhängige Organe:
Ministerrat der EU: Die jeweiligen Minister repräsentieren ihr jeweiliges Land in diesem Komitee. Der Ministerrat der EU ist das Hauptentscheidungsorgan.
Europäisches Parlament: Dieses Gremium repräsentiert die Bevölkerung. Es teilt sich die legislative und budgetäre Macht mit dem Ministerrat.
Europäische Kommission: Die exekutive Macht liegt hauptsächlich bei der Europäischen Kommission. Dieses Organ hat das Recht, Gesetze vorzuschlagen, und sorgt darüber hinaus dafür, dass EU-Regularien auch ordnungsgemäß umgesetzt werden.
Akteure
Als Spieler und Gegenspieler agieren in der EU in erster Linie vier verschiedene Akteure:
Nationale Behörden: Dies sind die lokalen, national verantwortlichen Behörden, die für die Durchsetzung der jeweiligen nationalen Gesetze verantwortlich sind.
Benannte Stellen: Sie werden von den nationalen Behörden akkreditiert und sind für die Vergabe der CE-Zertifikate (das CE-Zertifikat ist der Beleg der Konformität mit den produktspezifischen geltenden Normen und ist als „Reisepass” für den freien Verkehr von Medizinprodukten in der EU zu verstehen, die CE-Kennzeichnung bestätigt die vollständige Einhaltung der „Grundlegenden (Sicherheits-)Anforderungen”, die in EU-Richtlinien konkret festgelegt sind) und auch für die fortlaufende Einhaltung der Grundlegenden Anforderungen zuständig. Benannte Stellen sind private Gesellschaften, keine Organe der Regierung.
Hersteller: Der jeweilige Hersteller im Sinne der Medizinprodukte-Direktive(n) ist für die Konformität der Medizinprodukte mit den Grundlegenden Anforderungen der Medizinprodukte-Direktive(n) verantwortlich und ggf. für das Inverkehrbringen des jeweiligen Produkts in den europäischen Markt. Darüber hinaus muss er die produktspezifische Technische Dokumentation erstellen und im gesamten Lebenszyklus des Produkts aktuell halten.Die physische Herstellung des Medizinprodukts muss er nicht zwingend selbst durchführen, sondern kann diesen Schritt an Dritte delegieren. Er bleibt als „Legal-Hersteller” aber in jedem Fall in der Verantwortung für diesen Schritt.
EU-Bevollmächtigter: Medizinproduktehersteller, deren Firmensitz sich außerhalb der EU befindet, sind verpflichtet einen EU-Bevollmächtigten zu benennen. Er ist für die Einhaltung der europäischen und ggf. nationalen Vorschriften persönlich verantwortlich.
CE-Zertifikat
Ein Produkt darf erst dann erstmalig in den Verkehr gebracht und erstmalig in den Betrieb genommen werden, wenn es den grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen der MDR (Anhang I) entspricht und wenn zum Nachweis der Gesetzeskonformität ein Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt worden ist. Wird dieses Verfahren positiv abgeschlossen, kann die CE-Kennzeichnung auf dem Produkt angebracht werden und es wird, abhängig von der Risikoklasse des Produkts, von der Benannten Stelle ggf. das entsprechende CE-Zertifikat ausgestellt.
Bestimmte Aktivitäten, die nach CE-Zertifizierung durchgeführt werden, wie z. B. Produktrückrufe, der Umgang mit sicherheitsgefährdenden Produkten oder Betrug, verbleiben in der Verantwortung der jeweiligen nationalen Behörde.
MDR oberste Hierarchiestufe
Bei der Zertifizierung von Medizinprodukten in der EU stellt nun die MDR die oberste Hierarchiestufe der Gesetzgebung dar. Es folgen absteigend in Abhängigkeit von ihrer Durchsetzungskraft die sogenannten Gemeinsamen Spezifikationen, dann Direktiven, verabschiedet vom Europäischen Parlament, harmonisierte Standards und Richtlinien und abschließend Empfehlungen und Meinungen.
Abb. 1: Die Hierarchie der europäischen Gesetzgebung
Medizinprodukte werden gemäß MDR wie folgt definiert (Artikel 2, Satz 1):
„„Medizinprodukt” bezeichnet ein Instrument, einen Apparat, ein Gerät, eine Software, ein Implantat, ein Reagenz, ein Material oder einen anderen Gegenstand, das dem Hersteller zufolge für Menschen bestimmt ist und allein oder in Kombination einen oder mehrere der folgenden spezifischen medizinischen Zwecke erfüllen soll: — Diagnose, Verhütung, Überwachung, Vorhersage, Prognose, Behandlung oder Linderung von Krankheiten, — Diagnose, Überwachung, Behandlung, Linderung von oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen,— Untersuchung, Ersatz oder Veränderung der Anatomie oder eines physiologischen oder pathologischen Vorgangs oder Zustands, — Gewinnung von Informationen durch die In-vitro-Untersuchung von aus dem menschlichen Körper — auch aus Organ-, Blut- und Gewebespenden — stammenden Proben und dessen bestimmungsgemäße Hauptwirkung im oder am menschlichen Körper weder durch pharmakologische oder immunologische Mittel noch metabolisch erreicht wird, dessen Wirkungsweise aber durch solche Mittel unterstützt werden kann. Die folgenden Produkte gelten ebenfalls als Medizinprodukte: — Produkte zur Empfängnisverhütung oder -förderung, — Produkte, die speziell für die Reinigung, Desinfektion oder Sterilisation der in Artikel 1 Absatz 4 genannten Produkte und der in Absatz 1 dieses Spiegelstrichs genannten Produkte bestimmt sind.”
Klassifizierung
Ihre Klassifizierung erfolgt in Abhängigkeit von ihrem jeweiligen Gefährdungspotenzial für den menschlichen Körper: Klasse I steht für das geringste Gefährdungspotenzial, Klasse III für das größte. Die entsprechenden Klassifizierungsregeln sind im Anhang VIII MDR zu finden. Hier wird generell zwischen invasiven und nicht invasiven, aktiven und nicht aktiven Produkten unterschieden. Produkte, die über keine medizinische Zweckbestimmung verfügen werden außerdem über den Anhang XVI MDR reguliert.
Konformitätsbewertungsverfahren
Abhängig von der jeweiligen Risikobewertung und Klassifizierung steht dem Hersteller eine Vielzahl von Konformitätsbewertungsverfahren zur Verfügung. Durch ein Konformitätsbewertungsverfahren muss der Hersteller nachweisen, dass er die in der Richtlinie oder den Richtlinien enthaltenen grundlegenden Sicherheitsanforderungen eingehalten hat. Das Konformitätsbewertungsverfahren muss vom Hersteller für jedes Produkt vor dem erstmaligen Inverkehrbringen durchgeführt werden.
EU-Konformitätserklärung
Am Ende des Konformitätsbewertungsverfahrens stellt der Hersteller eine EU-Konformitätserklärung für sein Produkt aus, in der er erklärt, dass das Produkt mit den Anforderungen der MDR konform ist. Am Produkt bringt der Hersteller dann die CE-Kennzeichnung an.
Medizinisch-technische Leistungsfähigkeit
Bei Medizinprodukten besteht die Besonderheit, dass im Rahmen der Konformitätsbewertung nicht nur die Produktsicherheit nachgewiesen werden muss, sondern zusätzlich auch die klinische Leistungsfähigkeit von Medizinprodukten, so wie sie vom Hersteller in der Produktkennzeichnung einschließlich der Werbung als medizinische Indikation ausgelobt ist.
Klinische Bewertung
Das entsprechende Nachweisverfahren nennt sich klinische Bewertung. Erst der (je nach der Produktklasse) extern durch Benannte Stellen zertifizierte Nachweis der Produktsicherheit und der klinischen Leistungsfähigkeit berechtigt Hersteller von Medizinprodukten zur Anbringung der CE-Kennzeichnung.
In den Anhängen der MDR werden verschiedene Module für die Durchführung eines Konformitätsbewertungsverfahrens genannt. (Anhänge IX bis XI der MDR) Welcher Weg gewählt werden kann, hängt von der Klassifizierung des Produkts ab. Für Produkte mit höherem Risiko ist die Einbeziehung einer Benannten Stelle bei der Durchführung des Konformitätsbewertungsverfahrens obligatorisch.
In Abhängigkeit von dem jeweilige Produkt, seiner Risikoklasse und vom jeweiligen gewählten Weg der Konformitätsbewertung ergeben sich unterschiedliche Maßnahmen: im einfachsten Fall, bei Klasse-I-Produkten (unsteril, ohne Messfunktion und kein wiederverwendbares chirurgisches Instrument), eine Eigenbewertung durch den Hersteller ohne Einschaltung einer Benannten Stelle, in anderen Fällen umfangreiche Bewertungsverfahren der Technischen Dokumentation, des Produkts bzw. des Qualitätssystems durch die Benannte Stelle Generell unterliegen Klasse-I-Produkte dem Konformitätsverfahren nach Anhang IV und V MDR.
Technische Dokumentation
Der Hersteller ist verpflichtet, eine Technische Dokumentation gemäß Anhang II und III MDR zu erstellen und aktuell zu halten sowie eine Konformitätserklärung auszustellen. Die Technische Dokumentation muss gemäß Artikel 61 MDR auch eine klinische Bewertung enthalten.
Abb. 2: Maßnahmen in Abhängigkeit von der Risikoklasse
Die Möglichkeiten der Konformitätsbewertungsverfahren werden in Anhang IX bis XI der MDR beschrieben (siehe auch Abb. 3).
Abb. 3: Überblick über die Varianten der Konformitätsbewertungsverfahren
Konformitätsvermutung
Mit der MDR wurde nun das Regelungsinstrument der „Gemeinsamen Spezifikationen” eingeführt, das es der EU-Kommission bzw. den noch festzulegenden Expertengruppen ermöglicht, gemeinsame Spezifikationen (engl.: Common Specifications) zu veröffentlichen, die dann sowohl für die Hersteller als auch für die Benannten Stellen gelten. Diese Gemeinsamen Spezifikationen („GS”) gelten parallel zu den eventuell vorhandenen harmonisierten Normen. Über die GS und die harmonisierten Normen können Medizinproduktehersteller meist einfach und bequem die Konformität mit einzelnen grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen nachweisen. Erfüllt ein Produkt alle Anforderungen einer GS oder harmonisierten Norm, besteht „Konformitätsvermutung”. Alle GS werden auf der Seite der Europäischen Kommission und alle harmonisierten Europäischen Normen im offiziellen Journal der EU-Kommission veröffentlicht [1]. Da sich harmonisierte Normen in der jeweiligen Version laufend ändern, empfiehlt es sich dringend, die Liste der harmonisierten Normen zu im Blick zu behalten und gegebenenfalls. Maßnahmen einzuleiten, wenn sich etwas ändert.
Risikoklasse
Gemäß MDR Artikel 61 ist eine klinische Bewertung für alle Medizinprodukte unabhängig von ihrer Risikoklasse erforderlich. Unter der MDR ist nun für einige Produkte (z. B. stoffliche, Software in höheren Risikoklassen, usw.) die Durchführung einer klinischen Prüfung erforderlich, um die klinische Leistung und den klinischen Nutzen des Medizinprodukts für die klinische Bewertung mit eigenen klinischen Daten zu belegen.
Im groben Überblick stellen sich während des Bewertungszyklus von Medizinprodukten in der EU drei wesentliche Fragen:
Handelt es sich um ein Medizinprodukt?
In welche Risikoklasse fällt das Medizinprodukt?
Welcher Weg der Konformitätsbewertung wird gewählt?
Abb. 4: Überblick über den CE-Prozess in der EU

3 US-amerikanische Zertifizierung

Organe
In den USA sind folgende Instanzen für die Gesetzgebung, Medizinprodukte betreffend, verantwortlich:
Der Kongress gilt als Legislative und schafft die jeweiligen Gesetze.
Der Präsident ist als Exekutive zu verstehen, er unterzeichnet die Gesetze.
Die Food and Drug Administration (FDA) [2] ist als Teil der Abteilung „Health and Human Service” Teil der Exekutive, verantwortlich für die Einführung/Umsetzung der Gesetze.
FDA
Die FDA ist sowohl für die behördliche Lebensmittelüberwachung als auch für die Zulassung von Arzneimitteln und Medizinprodukten zuständig. Ihre Aufgabe ist unter anderem der Schutz der öffentlichen Gesundheit in den USA. Sie kontrolliert die Sicherheit und Wirksamkeit von Human- und Veterinär-Arzneimitteln, biologischen Produkten, Kosmetika, Lebensmitteln, Strahlen emittierenden Geräten und auch die von Medizinprodukten. Dies gilt sowohl für in den USA hergestellte als auch für importierte Produkte.
Als zentrale nationale Oberbehörde ist die FDA für die Registrierung bzw. Zulassung von Medizinprodukten für die gesamte USA verantwortlich. Nahezu alle Aktivitäten des Zulassungsprozesses, wie z. B. technische und klinische Bewertung, Audits und Inspektionen, werden von dieser Behörde durchgeführt. Sie ist als Vollzugsbehörde zu verstehen, da sie den Import von Produkten in die USA verhindern kann. Die FDA gliedert sich in mehrere Abteilungen:
Office of the Commissioner (Büro des Beauftragten)
Office of Regulatory Affairs
Center for Biologics Evaluation and Research
Center for Drug Evaluation and Research
Center for Devices and Radiological Health
Center for Veterinary Medicine
Center for Tobacco Products
Center for Food Safety and Applied Nutrition
National Center for Toxicological Research
Die Verantwortlichkeit für Medizinprodukte ist innerhalb der FDA im „Center for Devices and Radiological Health” angesiedelt.
Rechtsakt
Der Rechtsakt, der Medizinprodukte behandelt ist der Federal Food, Drug and Cosmetic Act (FD&C Act) unter Kapitel V: Drugs and Devices. [3] Als Medizinprodukt gelten demnach in den USA Instrumente, Apparate, Maschinen, Einrichtung, Implantate, In-vitro-Reagenzien oder Komponenten
die in USP (United States Pharmacopeia) oder anderen Kompendien aufgeführt sind
die für die Verwendung in der Diagnostik von Krankheiten oder anderen Bedingungen bestimmt sind
die für den Einsatz in der Heilung, Linderung, Behandlung oder Vorbeugung von Krankheiten angewendet werden
die die Struktur oder Funktion des Körpers beeinflussen
die ihre ursprüngliche Zweckbestimmung nicht durch chemische Wirkung auf den menschlichen Körper oder durch Metabolisierung desselben erreicht.
Nach dieser Definition kann jedes Produkt als Medizinprodukt verstanden werden, wenn es gemäß Indikation der juristischen Definition eines Medizinprodukts entspricht, z. B. aufbereitete Dura Mater, Adhäsionsbarrieren, chirurgische Netze, die humane oder tierische Materialien enthalten, In-vitro-Diagnostika, ein IP-Telefon oder Palm Pilot ebenso wie ein RFID-Chip.
Risikobewertung
Auch die FDA legt der Zulassung von Medizinprodukten eine Risikobewertung und eine entsprechende Klassifizierung des Risikopotenzials des Produkts zugrunde. Diese wird sowohl durch das Risiko bestimmt, das das jeweilige Produkt für den Patienten aufweisen könnte, als auch durch das Maß der regulatorischen Kontrolle, die die FDA bei der Vermarktung des Medizinprodukts anwenden möchte.
Risikoklassen
Als Risikoklassen werden für Medizinprodukte drei Klassen von der FDA definiert:
Klasse I: Allgemeine Kontrollen, in der Regel 510(k)-befreit
Klasse II: Besondere Kontrollen; 510(k)-Genehmigung vor der Markteinführung erforderlich
Klasse III: PMA-Genehmigung (Premarket Approval) in der Regel erforderlich
Je nach Produkt und Risikoklasse (Klasse I, II, III) gibt es grundsätzlich zwei unterschiedliche Hauptverfahren zur Bewertung von Medizinprodukten in den USA:
510(k)-Verfahren
1.
Vereinfachtes Zulassungsverfahren gemäß Section 510k des Federal Food, Drug and Cosmetic Act. Vorausgesetzt wird bei diesem Verfahren zum einen, dass es sich um Produkte der Risikoklasse I bzw. II handelt, und zum anderen, dass ein vergleichbares Produkt in den USA bereits auf dem Markt ist. Dabei ist nachzuweisen, dass das neue Produkt bei einer gleichen oder ähnlichen Indikation angewendet wird und die grundlegenden technischen Eigenschaften keine neuen Fragen bzgl. Sicherheit oder Leistungsfähigkeit im Vergleich zum bestehenden Produkt aufwerfen. Der 510(k)-Entscheidungsbaum ist in Abbildung 9 zu finden.
PMA-Verfahren
2.
Für Produkte der Risikoklasse III, sogenannte „significant risk devices”, muss vor Markteinführung ein PMA-Verfahren (Premarket Approval, 21 CFR (section) 814) durchgeführt werden. Auch für Produkte der Risikoklassen I und II, die nicht unter das „Sektion-510(k)-Verfahren” fallen, ist ein PMA-Verfahren durchzuführen. Generell ist dieses Verfahren für Produkte anzuwenden, die als lebenserhaltend gelten, oder wenn eine neue Indikation für lebenserhaltende Produkte angestrebt wird. Im Rahmen der notwendigen klinischen Studien muss die Wirksamkeit und Sicherheit des jeweiligen Produkts nachgewiesen werden. Um diese neuen Produkte im Rahmen klinischer Studien anwenden zu dürfen, ist ein Antrag auf Ausnahmeregelung vorab zu stellen (Investigational Device Excemption, IDE). Auch ist vor dem Einsatz dieser Produkte im Rahmen der IDE die Zustimmung der entsprechenden Ethikkommission einzuholen. Eine PMA-Zulassung gliedert sich somit in die Erstellung der Antragsunterlagen mit Studienprotokoll und produktspezifischen Informationen, die IDE-Antragstellung bis zur Genehmigung, die Durchführung der IDE-Studie, den Studien-Abschlussbericht mit Anerkennung der gewonnenen Daten durch die FDA, den Antrag auf PMA-Zulassung unter Zugrundelegung der IDE-Daten. Zusätzlich ist in der Regel die Inspektion der Herstellstätte erforderlich. Als Zeitbedarf ist hier mit mindestens 180 Tagen zu rechnen.
Sonderwege
Zwei „Sonderwege” ermöglichen besonderen Produkten einen erleichterten Marktzugang:
Zum einen wurde 1997 mit dem „Hybrid ‚de novo' pathway” eine Variante der Zulassung von Medizinprodukten in den USA etabliert, die für Produkte gedacht ist, die zwar neu, allerdings nur von geringem Risiko für Patienten und Anwender sind und eine PMA-Zulassung mit entsprechendem Aufwand nicht rechtfertigen würden.
Zum anderen wurde mit der HDI (Humanitarian Device Exemption) Produkten der Risikoklasse III der Marktzugang erleichtert, wenn es sich hier um Produkte handelt, von denen weniger als 4000 Patienten pro Jahr in den USA profitieren würden.
Abb. 5: Entscheidungsbaum des 510(k)-Verfahrens
Tabelle 2: Gegenüberstellung des 510(k)-Verfahrens und des PMA-Verfahrens
510(k)
PMA
Wesentliche Vergleichbarkeit
Sicherheit und Leistung
Vergleich mit bereits auf dem Markt befindlichem Produkt
Gültiger wissenschaftlicher Nachweis
Eventuelle Notwendigkeit klinischer Daten
Klinische Daten sind nahezu immer notwendig
Geringer formaler Aufwand
Streng geregelter formaler Plan
„Freigabe” vor der Vermarktung
Detaillierter, langwieriger Antrag
Schwebendes 510(k)-Verfahren ist vertraulich
Genehmigung vor der Vermarktung
Nur wenige vertrauliche Firmendaten werden veröffentlicht, 510(k)-Zusammenfassung ist nach 30 Tagen nach der Freigabe verfügbar
Schwebendes PMA-Verfahren ist vertraulich, nach der Genehmigung wird eine Zusammenfassung veröffentlicht

4 Vergleich der Systeme EU-USA

4.1 Regularien

EU
USA
MDR
Food Drug & Cosmetic Act
Code of Federal Register (CFR)

4.2 Philosophie

EU
USA
Präskriptive Risikoklassifikation basierend auf vorhandenem Risiko in Bezug auf die jeweilige Indikation.
Dem Hersteller wird hinsichtlich Sicherheit und Leistungsfähigkeit eine größere Verantwortung auferlegt.
Präskriptive Risikoklassifikation in Bezug auf ein mögliches Produktversagen und die Menge an Informationen, die zur Beurteilung von Sicherheit und Leistungsfähigkeit notwendig sind.

4.3 Definition Medizinprodukt

EU
USA
Instrumente, Apparate, Vorrichtungen, Stoffe oder andere Gegenstände, Software, die vom Hersteller zur Anwendung für Menschen für folgende Zwecke bestimmt sind:
Diagnostik, Vorbeugung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten
Die Hauptwirkung darf nicht durch pharmakologische, immunologische oder metabolische Eigenschaften erreicht werden.
Instrumente, Apparate, Maschinen, Einrichtungen, IVD, die ...
eine Struktur des Körpers beeinflussen sollen
der Diagnostik von Krankheiten oder anderen Gegebenheiten dienen,
der Heilung, Linderung, Behandlung oder Vorbeugung von Krankheiten dienen,
ihre primäre Hauptwirkung nicht aufgrund chemischer oder metabolischer Wirkung erreichen.

4.4 Klassifizierung

EU
USA
Risikobasiert
Klasse I, Is (steril), Im (Messfunktion), IIa, IIb und III
Risikobasiert
Klasse I: Allgemeine Kontrollen, im Allgemeinen vom 510(k)-Prozess befreit
Klasse II: Spezielle Kontrollen, 510(k)-Prozess verpflichtend
Klasse III: PMA-Verfahren notwendig

4.5 Varianten

EU
USA
Diverse Möglichkeiten nach Anhang IX bis XI der MDR:
Produktkonformitätsprüfung: Qualitätssicherung
Produktkonformitätsprüfung: Produktprüfung
Baumusterprüfung
QM System und Bewertung der Technischen Dokumentation
Diverse Möglichkeiten in Abhängigkeit vom Risiko:
510(k) (befreit)
510(k)
PMA
De novo
HDE

4.6 Klinische Daten

EU
USA
Klinische Daten sind für Produkte aller Risikoklassen notwendig
I. d. R. klinische Studien für Klasse-IIa und -III-Produkte, stoffliche Medizinprodukte und Software in höheren Risikoklassen ohne Äquivalenzprodukt
Genehmigung durch:
Ethikkommission
nationale Behörden gemäß MDR
IDE-Prozess
Verpflichtend für alle Klasse-III-Produkte (PMA)
Nachweis von Sicherheit und Leistungsfähigkeit
Genehmigung durch:
Ethikkommission
FDA

4.7 Neubewertung der Marktfreigabe

EU
USA
Jährliche Audits
„Verfallsdatum” von CE-Zertifikaten max. 5 Jahre
Selbstzertifizierung nach Anhang IV und V: keine zeitliche Begrenzung
Audits
Keine Begrenzung des Marktzugangs

4.8 Marktüberwachung

EU
USA
Marktüberwachung durch nationale Behörde
Vigilanz-System
Ergänzen der Technischen Dokumentation mit aktuellen Marktüberwachungsdaten
MDR-Bericht

5 Eine Technische Dokumentation für alle?

Der Aufwand für das Erstellen und Aktualisieren einer Technischen Dokumentation für ein Medizinprodukt ist ohnehin groß. Unübersichtlich könnte es werden, wenn man zwei unterschiedliche Dokumentationen jeweils für die USA und die EU erstellen und pflegen muss. Ideal wäre es, eine globale Technische Dokumentation zu erstellen und zu pflegen, aus der dann die für die entsprechenden Märkte jeweils benötigten Bausteine herausgezogen werden können. Ist das wirklich möglich?
Abb. 6: Prozess der Erstellung für eine globale Technische Dokumentation (Wasserfall-Modell), EU-Anforderungen
Design-History-File
Die Anforderungen an eine Technische Dokumentation in der EU (Design-Planung, Design-Input, Design-Output, Design-Review, Design-Verfikation, Design-Validation und Design-Änderungen) müssen, um FDA-konform zu sein, ergänzt werden: zum einen durch ein Dokument, das den Design-Transfer erläutert, und zum anderen durch die Design-History-File. Dieses Dokument muss alle Vorstufen des Produkts beschreiben, die schlussendlich zum eingereichten Produkt geführt haben. Neben den Angaben zum Autor, den entsprechenden Daten, einer Seitennummerierung und der Unterschrift des Verantwortlichen gibt es derzeit keine weiteren formalen Anforderungen an ein solches Dokument.

5.1 EU: Bausteine einer Technischen Dokumentation für Medizinprodukte

1.
Allgemeine Beschreibung des Produkts
2.
Grundlegende Sicherheits- und Leistungsanforderungen
3.
Risikoanalyse
4.
Grafiken, Design-Spezifikationen
5.
Chemische, biologische und physikalische Tests
a)
In-vitro, präklinische Daten
b)
Biokompatibilitätsdaten
c)
Biostabilitätsergebnisse
d)
Mikrobiologische Sicherheit (Material tierischen Ursprungs)
e)
Beschichtete Medizinprodukte
6.
Klinische Daten
7.
Verpackung und Shelf Life
8.
Labeling
a)
Gebrauchsanweisung
b)
Information für Patienten
c)
Werbematerial
9.
Produktion
10.
Sterilisierung
11.
Zusammenfassung
12.
Konformitätserklärung

5.2 USA: Bausteine einer Technischen Dokumentation für Medizinprodukte

1.
Deckblatt: Gebühren (Formblatt FDA 3601)
2.
Deckblatt: CDRH
3.
510(k) cover letter
4.
Anwendungsgebiete
5.
510k-Zusammenfassung oder 510k-Stellungnahme
6.
Truthful and accuracy statement
7.
Klasse III Zusammenfassung and certification
8.
Financial certification and disclosure statement
9.
Konformitätserklärung oder Disclosure statement
10.
Executive Summary
11.
Produktbeschreibung
12.
Substantial equivalence discussion
13.
Vorschlag Labeling
14.
Sterilität und Shelf Life
15.
Biokompatibilität
16.
Software
17.
EMC & Electrical Safety
18.
Performance testing – bench
19.
Performance testing – animal
20.
Performance testing – clinical
21.
Andere Dokumente

5.3 Fazit

Mit dem richtigen Maß an Planung und der richtigen Organisation der Dokumente, so glauben die Autoren, ist es durchaus möglich, sowohl die CE-Zertifizierung als auch die FDA-Zulassung/den US-Marktzugang basierend auf einer Dokumentation zu erhalten – man muss diese allerdings pflegen und aktuell halten, um die Daten dann auch optimal nutzen zu können. Dies ist im Grunde durch die MDR nun noch einfacher geworden.

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